In Niederschönenfeld bewegt sich was

LAB BINÆR und Felix Weinhold räumen den ersten Platz bei Kunst-am-Bau Wettbewerb ab

Das Preisgericht bestehend aus sieben Preisrichtern entschied heute im Staatlichen Bauamt Augsburg, welches Kunstwerk in Zukunft die Erweiterung der JVA Niederschönenfeld schmückt. Aus insgesamt 120 Einreichungen in der ersten Phase wurden zehn Kunstentwürfe zur weiteren Entscheidung ausgewählt. Am Ende entschied sich das Preisgericht einstimmig für das Werk „Locomotion“ der Künstlergruppe „LAB BINÆR“ (Benjamin Stechele und Martin Spengler) und dem Künstler Felix Weinhold – alle drei Künstler stammen aus Augsburg. „Der Entwurf hat sich von Anfang an durchgesetzt. Er ist auch der stimmigste Beitrag“, meint Marc Döschl, der Anstaltsleiter der JVA Niederschönenfeld. Auch Norbert Kiening, der den Vorsitz des Preisgerichts innehatte, freut sich über den Gewinner: „Es freut mich sehr, dass hier in einem hochprofessionellen Wettbewerb der europaweit angelegt war, mit Beteiligung auch aus Nachbarländern, ein Augsburger Künstlerteam den Wettbewerb gewonnen hat.“

Laut der Künstlergruppe spiegelt sich in „Locomotion“ der Gegensatz zwischen dem Zustand des Gefangenseins und der ersehnten Freiheit. Als starkes Bild für die Freiheit diene das Bild der fliegenden Vögel. Schon der deutsche Schriftsteller und Dramatiker Ernst Toller (1893 – 1939), der in den frühen 1920er Jahren dort in Niederschönenfeld inhaftiert war, versinnbildlichte in seinem „Schwalbenbuch“ Vögel als Symbol für die Freiheit und als soziale Wesen. Gerade Freiheit und die Fähigkeit zu sozialem Verhalten sind, aus Sicht der Künstler, Ziele gelingender Resozialisierung. „Das Bild fliegender Vögel und die damit verbundene Assoziation sind universell verständlich“, wie die Künstlergruppe erklärt. Als visuelle Anregung dienten die Bewegungsstudien fliegender Vögel von Eadweard Muybridge (1830 – 1940) aus seinem Fotoband „Animal Locomotion: An Electro-Photgraphic Investigation of Consecutive Phases of Animal Movements“ von 1885.

Für das Kunstwerk werden fliegende Vögel in verschiedenen Bewegungsphasen auf die südöstliche Außenwand aufgebracht. Davor wird ein Lineament aus vertikalen Lamellen gesetzt. „Dadurch ergibt sich für Betrachtende, die z.B. auf der Bundesstraße an dem Kunstwerk vorbeigehen der Eindruck einer Schar fliegender Vögel. Gleichzeitig entsteht durch die vertikalen Lamellen der Eindruck von Gitterstäben, die durch Ihre Anordnung die Interpretation offenlassen, ob sich nun die Vögel oder die Betrachtenden hinter Gittern befinden“, erklärt LAB BINÆR. „Während die Arbeit vollkommen statisch ist, erzeugt die Änderung des Standpunktes der Betrachtenden die Erkenntnis: erst dadurch, dass man sich bewegt, kommt etwas in Gang, entsteht Veränderung. Auch dies im übertragenen Sinn ein Ziel der Resozialisierung.“

Insgesamt standen für die Künstlerinnen und Künstler drei Standorte der JVA Niederschönenfeld zur Verfügung. Diese konnten, mussten aber nicht alle bespielt werden. Ort, Anzahl und Art des Kunstwerks oblagen der künstlerischen Freiheit, sofern es den Teilnahmebedingungen entsprach.

Das Werk „Locomotion“ wird seinen Platz an der Giebelwand des Außenlagers finden. Das Werk wird die Wand ab einer Höhe von 2,50 m und bis zu einer Höhe von 5 m in ihrer gesamten Breite bedecken. Somit befindet es sich außerhalb der allgemeinen Reichweite einer Person und ist windlastoptimiert. Die Tiefe des Werkes beträgt 30 cm. Die Kosten belaufen sich auf rund 125.000 €.

Auf dem 2. Platz landete das Werk „Wolkenwand“ des Künstlers Werner Klotz aus Berlin. Den 3. Platz belegte der ebenfalls aus Berlin stammende Tim Trantenroth mit seinem Kunstwerk „inside out“.

Die JVA Niederschönenfeld mit rund 260 Haftplätzen ist für den Erstvollzug an jungen Erwachsenen, männlichen Strafgefangenen zuständig. Wer hier landet, muss mit einer Mindeststrafe von 18 Monaten und einer Höchststrafe von bis zu 4 Jahren rechnen. Das Gefängnis ist in einem barocken ehemaligen Zisterzienserinnen-Kloster untergebracht. Anlass des Wettbewerbs ist die jüngste bauliche Erweiterung der Anlage.

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